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Die Lotsin geht von Bord

Barbara Kreft, die Schulleiterin des Jahngymnasiums, wird heute in den Ruhestand verabschiedet

MAZ Westhavelländer vom 30.03.2012

RATHENOW - Es war das Jahr der letzten Dinge. Im vergangenen Sommer fing es an. „Das waren dann wohl die letzten großen Ferien, hab’ ich gedacht“, erinnert sich Barbara Kreft. Und so ging es weiter. Letzte Schulkonferenz, letzte Zeugnisausgabe, letzter Bildungsausschuss. Und heute Mittag wird sie die Tür zu ihrem Büro, von dem sie die Schule ein Vierteljahrhundert geleitet hat, schließen – zum letzten Mal.

Wann die Weichen Richtung Lehrerkarriere gestellt wurden, weiß Barbara Kreft auch nicht mehr so genau. Jedenfalls stammt sie nicht aus einer Lehrerfamilie. Ihr Vater war Feinmechaniker bei ROW. Die Mutter Sekretärin in Nennhausen – Schulsekretärin. In den Ferien habe sie immer beim Sortieren der Schulbücher geholfen, sagt Barbara Kreft. Also doch familiär vorbelastet!

Wie auch immer. Es folgte der damals klassische Weg in den Schuldienst: Auf das Abitur 1969 an der EOS Rathenow folgte das Studium an der Pädagogischen Hochschule Potsdam, Fächer: Englisch und Russisch. 1973 stieg Kreft als Lehrerin an der gerade eröffneten Rathenower Allende-Schule (das Gebäude wird heute von der Bürgelschule genutzt) in Rathenow ein. „Es ging gleich richtig los“, so Kreft. „Eine Schonfrist für Anfänger gab es nicht.“

Bis 1987 blieb Kreft an der Allendeschule, das letzte Jahr als stellvertretende Schulleiterin. 1987/88 wurde sie abgeordnet an die Thälmannschule – als Schulleiterin. Eine neue Herausforderung, keine Frage. Aber nichts gegen das, was drei Jahre später auf sie zukam. Nach der Wende erhielt Kreft den Auftrag, die Thälmannschule zum Jahn-Gymnasium umzubauen. „Die gymnasiale Oberstufe mit dem Kurssystem und was dazugehört, das war alles Neuland für uns.“ Nach unzähligen Fortbildungsveranstaltungen, Schulungen und Seminaren, nach Besuchen in einem Gymnasium der Rathenower Partnerstadt Rendsburg, nach Treffen mit vielen klugen und sich klug vorkommenden Leuten hatten Barbara Kreft und ihre Kollegen einen wahren Wust von Informationen im Kopf. Und eine Gewissheit: „Die kochen auch nur mit Wasser. Das schaffen wir!“

Und sie sollte Recht behalten. Das Jahn-Gymnasium ist seit seiner Gründung ein fester Bestandteil der havelländischen Bildungslandschaft, und das wird auch so bleiben. Was nicht heißt, dass es keine Veränderungen gegeben hätte. Vor allem auf dem technischen Sektor hat sich eine regelrechte Revolution vollzogen. Computer, Internet, Beamer gehören heute zur Grundausstattung der Schule. Barbara Kreft begrüßt die Annehmlichkeiten, die diese Dinge mit sich bringen. Aber in blinde Euphorie bricht sie nicht aus. „Die Technik wird den Lehrer nicht ersetzen“, sagt sie. „Es hängt immer noch von ihm ab, was er aus den Möglichkeiten macht.“ Sie selbst sei ja ein Verfechter der Kreidepädagogik, gesteht sie. Wenn ein Schüler verfolgen könne, wie ein Tafelbild entsteht, dann sei der Lerneffekt wahrscheinlich größer als wenn man ihm eine bunte Folie nach der anderen vorsetze.

In diesem Satz ist auch die Antwort auf die Frage enthalten, was Barbara Kreft am Lehrerberuf so schätzt: Den direkten Kontakt zu anderen Menschen, den Austausch von Meinungen, die neuen Erfahrungen. „Ich habe mich immer gefreut, wenn ich morgens in die Schule gekommen bin und da war dieses Leben, diese Energie.“ Und eines könne sie heute, nach 39 Jahren Schuldienst, auch sagen: „Es hat nicht einen Tag gegeben, an dem ich mich gelangweilt hätte.“

Dann dürfte das mit dem Ruhestand, mit der vielen freien Zeit aber schwer werden? „Oh nein“, sagt Barbara Kreft. „Ich habe den Beruf gerne gemacht, aber jetzt freue ich mich auf das, was kommt.“ Nicht mehr um 5.30 Uhr aufstehen müssen, mit dem Mann ausgiebig frühstücken, Zeitung lesen, schmökern, reisen. Oder einfach rausgehen, die Natur genießen – was in ihrem Wohnort Steckelsdorf kein Problem sein dürfte.

Es gehe nicht nur darum, mehr Zeit zu haben – sondern vor allem auch darum, den Kopf frei zu haben, diese Zeit zu genießen, sagt Kreft. Als Schulleitern habe man doch immer irgendwie an die Arbeit gedacht. Manchmal sei sie morgens in der Schule angekommen und habe sich gar nicht mehr genau erinnern können, wo sie lang gefahren sei – weil sie sich in Gedanken schon mit dem Vertretungsplan oder der Konferenz beschäftigt hatte.

Das wird künftig nicht mehr passieren. Aber im Jahngymnasium vorbeischauen wird sie doch regelmäßig? „Auf keinen Fall“, sagt Kreft, und man kann an der Vehemenz, mit der sie das sagt, spüren, dass sie es ernst meint. Sie habe jüngst eine Autobiographie des Journalisten Sven Kuntze über dessen Ruhestand gelesen und dort einen Ratschlag gefunden, den sie befolgen werde. „Kehre nie zurück an deinen einstigen Arbeitsplatz“, habe Kuntze geschrieben. Begründung: „Du störst!“ (Von Markus Kniebeler)

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