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Diskussion und Ausstellung im Theaterkeller des Jahngymnasiums
Brawo vom 29.04.2015
Rathenow (MOZ) "Leuchtend prangten ringsum Apfelblüten, still vom Fluss zog Nebel noch ins Land." Für die einen sind diese Zeilen der Beginn eines launigen Liebesliedes aus der Sowjetunion, in anderen löst es Erinnerungen an infernalische Ereignisse aus. Denn nach dem Lied wurde ein Raketenwerfer der Roten Armee benannt, der auch in den Kämpfen an der Havel, in und um Rathenow zum Einsatz kam. Harri Musehold erlebte das Heulen und die Einschläge der "Katjuscha"-Raketen in der Rhinower Straße. Er war damals ein Kind.
Nach Feindalarm am 25. April setzten die verbissenen Kämpfe um Rathenow am 26. April ein. Musehold sah, wie eine seiner älteren Schwestern im Wohnhaus verletzte Männer versorgte. Männer mit schrecklichen Verletzungen. Er sah einen hin und her pendelnden Schützenpanzer, auf den Verletzte gelegt wurden, um sie aus der Schusslinie zu fahren. Viele von denen, die hilflos und voller Schmerzen bei ihrer Evakuierung vom Panzer runter rollten, sah er später tot am Straßenrand liegen. Harri Musehold, der morgens noch in der Rhinower Straße aufwachte, war abends bereits in Neue Schleuse. Den folgenden Tag verbrachte er auch dort, um am 28. April mit seinen Verwandten nach Steckelsdorf zu gelangen. Das was sich ihm dort ins Gedächtnis einbrannte, sah man ihm am Dienstag an. Einen Moment lang den Tränen nah, schilderte er im Theaterkeller des Jahngymnasiums, wie er den Turm der Sankt-Marien-Andreas-Kirche brennen sah. Von Steckelsdorf aus sollte die Flucht nach Westen gelingen. Sie misslang am Ostufer der Elbe, wo er in einem Granattrichter kauernd und zitternd den Beschuss durch sowjetische Artillerie erlebte. Die Kinder der Familie sahen und hörten Schlimmes, doch sie überlebten.
Harri Musehold nahm am Dienstag im Podium einer Diskussionsveranstaltung Platz, zu der der Rathenower Heimatbund e.V. eingeladen hatte. Ferner saßen dort der Berliner Kriegsveteran Günter Müller und Gisela Brenninkmeyer aus Mühlheim an der Ruhr, Nachfahrin eines Lazarettarztes, der in Rathenow tätig war. Zusammen mit Geschichtslehrer Udo Geiseler moderierte der Heimatbund-Vorsitzende Wolfram Bleis die Veranstaltung. Der Ort, die frühere Jahnschule mit ihrer Turnhalle, bot den thematischen Aufhänger. Denn bei Kriegsende diente der Gebäudekomplex als Lazarett.
Eine Ausstellung mit Lebenswegen damals verwundeter Soldaten flankierte den Abend. Auch die strategische Ausgangslage, die zu den zwölftägigen Kämpfen in und um Rathenow führte, ließ sich nachvollziehen. Demnach versperrte die zur Festung erklärte Stadt der Roten Armee den Weg zur Elbe in Tangermünde, wo tausende Angehörige von Wehrmacht und SS sowie Zivilisten zu den Amerikanern gelangen wollten. Viele schafften es über den Fluss, so auch Günter Müller. Er hatte vor einiger Zeit ein Buch geschrieben über seine Erlebnisse. Titel: "Letzte Kriegstage in Rathenow".
Dass diese längst noch nicht in Gänze erforscht sind, verdeutlichte ein Gast im Publikum, der Magdeburger Romanautor Manfred Thiel. Er überraschte mit eigenen Rechercheerkenntnissen. Demnach seien drei sowjetische Parlamentäre, die die weiße Flagge schwenkten und die kampflose Übergabe der Stadt fordern wollten, erschossen worden. Erst dann sei der Sturm losgebrochen. Das hörten auch zwei uniformierte Bundeswehrangehörige, die im Publikum saßen. Gastgeber Wolfram Bleis war ihre Anwesenheit positiv aufgefallen. Die beiden kamen aus Havelberg und nicht vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt der Bundeswehr, in dem laut Bleis die Stadt Rathenow noch nicht vorkommt.
Insgesamt konnte er sich über einen vollen Theatersaal und weit mehr Publikum als bei vergleichbaren Veranstaltungen der Vergangenheit erfreuen. Somit fanden sich auch viele Käufer des druckfrischen dritten Teils der Broschüre "Die letzten Tage im Krieg und die ersten Wochen im Frieden in der Region um Rathenow", die der Böhner Hans-Jürgen Wodtke erarbeitete. Auch Teil 3 wird vom Heimatbund herausgegeben, enthält zahlreiche Zeitzeugenberichte und ist im lokalen Buchhandel erhältlich.
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