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Nicht dem König gewidmet

Lokalmatador Udo Geiseler bei "8 für 800"

Quelle: MZV/Euent
Udo Geiseler, Geschichtslehrer am Rathenower Jahn-Gymnasium, hielt den letzten Vortrag vor der Sommerpause aus der Reihe "8 für 800". Quelle: MZV/Euent

Brawo vom 15.06.2016

Rathenow (MOZ) Bis zum 13. September dauert nun die Sommerpause in der "8 für 800" genannten Vortragsreihe zum Rathenower Stadtjubiläum. Bevor es aber in die Pause ging, trat am Dienstagabend ein Lokalmatador an das Rednerpult im Blauen Saal des Kulturzentrums.

Udo Geiseler ist hauptberuflich Deutsch- und Geschichtslehrer am Friedrich-Ludwig-Jahn-Gymnasium in Rathenow, hat schon den brandenburgischen Lehrerpreis verliehen bekommen, ist außerdem Stadtverordneter in Brandenburg an der Havel, ist Vorsitzender des dortigen Historischen Vereins und gehört der Brandenburgischen Historischen Kommission an. Ein Geschichtsfreund durch und durch! Und ein umtriebiger und vielbeschäftigter Mann, wie auch Rathenows Bürgermeister Ronald Seeger in seiner Ankündigung bemerkte.

Udo Geiselers Spezialgebiet ist die Frühe Neuzeit, also etwa die Zeit zwischen 1500 und 1800. Allerdings haben schon einige seiner Vorgänger genau über eben jene Zeit in ihren Vorträgen berichtet. Da Geiseler nichts wiederholen wollte, kam er auf das Thema Absolutismus und wie die vermeintliche Nähe zu den Residenzen der Herrscher in Berlin und Potsdam sich auf das Westhavelland und die Stadt Rathenow auswirkten. Wie lang war also der Arm des brandenburgischen Kurfürsten bzw. preußischen Königs eigentlich?

In der Betrachtungszeit gab es in Rathenow ein rathäusliches Reglement. Dieses sagte aus, dass dem Bürgermeister mit seinen Räten die Stadtverordneten, zumeist aus Zünften stammend, gegenüber standen und alle vom sogenannten Steuerrat, dem Auge des Königs, überwacht wurden. Dieser Steuerrat hatte dafür zu sorgen, dass in den Kommunen die Anordnungen des Königs auch umgesetzt wurden.

Allerdings waren die westhavelländischen Gebiete in der Zeit vor der Industrialisierung nur schwer zu erreichen. Die Hauptverkehrswege nach Berlin bzw. Spandau lagen nördlich und südlich, Querverbindungen gab es kaum. Somit war das Westhavelland weit ab vom Schuss und nicht mal eben in einer Tagesreise von Berlin aus zu erreichen. Das sah man auch an den Besitztümern der Landesherren, die sich bis 1740 auf das Osthavelland beschränkten. Der König, die preußische Monarchie wurde 1701 begründet, erwarb nach und nach die Ämter Bellin, Oranienburg, Potsdam, Ketzin und Nauen, mit ihren wenigen oder vielen Dörfern drum herum. Auch der Hofadel schnappte im Osthavelland vielfach dem eingesessenen, oftmals verschuldeten alten Landadel die Besitztümer weg und vergrößerte damit seinen und den königlichen Einfluss dort. Im Westhavelland passierte das nur eher selten.

Diese Phänomene kann man nicht nur im Osthavelland beobachten, sondern rings um die Residenzen in Berlin und Potsdam, wie Geiseler auf Nachfrage bestätigte. Die schnelle Erreichbarkeit des Hofes spielte bei der Wahl der Besitztümer eine große Rolle. So konnten sich aber die alten Strukturen im abgeschiedenen Westhavelland sehr lange erhalten.

In Rathenow führte das zur Ausbildung eines bürgerlichen Selbstbewusstseins, das es anderswo so noch nicht gab. Aufklärerisches Gedankengut konnte immer mehr Fuß fassen. Wie stolz die Rathenower auf ihre Stadt waren, zeigt sich am Beispiel von Samuel Christoph Wagener, der 1803 die erste Rathenower Stadtgeschichte veröffentlichte. Dieses Büchlein zählt zu den ältesten Stadtgeschichten überhaupt und war den Räten und Bürgern gewidmet und nicht etwa dem König, wie zu der Zeit eigentlich üblich.

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