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Vom Leben in einer Garnisonsstadt

„8 für 800“: Professor Frank Göse von der Uni Potsdam referiert über märkisches Städtewesen

Quelle: Christel Köster
Der Historiker Frank Göse wird am Dienstag einen Vortrag in Rathenow halten. Quelle: Christel Köster

MAZ vom 08.05.2016

„8 für 800“ lautet der Titel der Rathenower Veranstaltungsreihe, bei der namhafte Historiker Aspekte der Rathenower Stadtgeschichte beleuchten. Der nächste Referent ist Professor Frank Göse von der Uni Potsdam. Am Dienstag wird er über das märkische Städtewesen in der Frühen Neuzeit am Beispiel Rathenows berichten.

Rathenow. Frank Göse ist in Rathenow kein Unbekannter. Der Potsdamer Geschichtsprofessor war im vergangenen Frühjahr zu Gast im Jahngymnasium, um vor Schülern und interessierten Bürgern über die Zeit zwischen den Napoleonischen Kriegen und der Deutschen Reichsgründung zu referieren.

Nun kommt der angesehene Historiker wieder in die Stadt. Am kommenden Dienstag wird er im Blauen Saal des Kulturzentrums einen Vortrag halten. Titel: „Das Märkische Städtewesen in der Frühen Neuzeit – das Beispiel Rathenow“. Der Vortrag ist Teil 4 der Reihe „8 für 800“, in der bestimmte Aspekte der Rathenower Stadtgeschichte von Historikern beleuchtet werden.

Die Frühe Neuzeit umfasst, alte Faustregel aus dem Geschichtsunterricht, die Epoche von Martin Luther bis Napoelon. Da der Potsdamer Historiker Felix Engel sich im April mit der Reformation und deren Nachwirkungen beschäftigte, also das 16. Jahrhundert in den Mittelpunkt stellte, wird Göse sich dem 17. und vor allem 18. Jahrhundert zuwenden.

Und dabei versuchen, eine gängige Auffassung etwas differenzierter darzustellen: Der preußische Militärstaat, der im 18. Jahrhundert zur voller Blüte heranreifte, habe entgegen landläufiger Meinung den märkischen Städten und Kommunen noch genügend Freiraum zur Entfaltung gegeben.

Selbstbewusstes Bürgertum in Rathenow

In Rathenow etwa habe sich in jener Zeit ein selbstbewusstes Bürgertum herausgebildet, das auf sehr lebhafte Weise die Geschicke der Stadt gelenkt und bestimmt habe. Wer die Quellen studiere – etwa die Beschlüsse, die vom Rat der Stadt gefasst wurden – der bekomme ein ziemlich genaues Bild davon, mit welchen Probleme die Kommune konfrontiert war. Dass nicht immer große Politik gemacht wurde, sondern auch ganz alltägliche Dinge zu verhandeln waren, verstehr sich von selbst: Wenn etwa der Erlass erging, nächtliche Trinkgelage zu unterbinden, dann ist das der beste Beweis dafür, dass es solche gegeben haben muss.

Auch wenn der Begriff des preußischen Militarismus die Vielfältigkeit der städtischen Lebens nicht realistisch abbilden mag, so ist es unbestritten, dass das Militär in Rathenow gerade im 18. Jahrhundert zu einem stadtprägenden Faktor heranreift. „Seit 1713 war Rathenow Garnisonsstadt“, sagt Göse.

Soldaten haben Einfluss genommen

Und natürlich hätten die Soldaten Einfluss auf das urbane Leben genommen. Dass das Verhältnis zwischen Bewohnern und Militär nicht immer konfliktfrei war, auch dafür gibt es Göse zufolge etliche Beispiele, darunter Kuriositäten: So sei etwa von den Befehlshabern der Entschluss gefasst worden, dass Exerzieren von den öffentlichen Plätzen nach innen zu verlegen – das unebene Pflaster eignete sich offenbar nicht zum Üben mit der Waffe. Dass der Rat der Stadt seinerseits nicht begeistert war, wenn Gewehr- und stiefelknallende Soldaten den Ratssaal blockierten, liegt auf der Hand.

Das Verhältnis zwischen Stadtbevölkerung und Militär ist einer der Aspekte, die der Historiker beleuchten will. Aber auch die Beziehungen der Städte untereinander, das Verhältnis der Stadt zur Landesherrschaft sowie die Beziehungen zwischen der Stadt und den mächtigen Adelsfamilien der Mark sollen thematisiert werden.

Frank Göse ist der vierte Referent in der Reihe „8 für 800“. Sein Vortrag am Dienstag, den 10. Mai, im Blauen Saal beginnt um 18 Uhr. Der Eintritt ist frei. Nach ihm wird Udo Geiseler vom Jahngymnasium am 14. Juni einen Vortrag halten mit dem Titel „Nähe und Ferne – Rathenow, das Havelland und die Residenzlandschaft Berlin-Potsdam in der Frühen Neuzeit.“

Von Markus Kniebeler

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Zur Person: Frank Göse

Frank Göse wurde am 16. November 1957 in Jüterbog geboren.

Frank Göse schloss 1983 sein Studium an der Pädagogischen Hochschule Potsdam mit dem Diplom in Deutsch und Geschichte ab. 1986 wurde er promoviert; seine Dissertation befasst sich mit der Geschichte der Arbeiterbewegung in Potsdam und Nowawes von den Anfängen bis 1890. Ab 1993 war Göse als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Potsdam am Lehrstuhl für Geschichte der Frühen Neuzeit tätig. 2002 wurde er habilitiert und zum Privatdozenten bestellt. Seit 2007 ist er außerplanmäßiger Professor an der Universität Potsdam. Er forscht zur brandenburgischen Landesgeschichte der Frühen Neuzeit, zur Geschichte des frühneuzeitlichen Adels in den nordostdeutschen Reichsterritorien, zur Militärgeschichte und zur vergleichenden Landesgeschichte.

Frank Göse ist stellvertretender Vorsitzender der Landesgeschichtlichen Vereinigung für die Mark Brandenburg sowie seit 2006 stellvertretender Vorsitzender der Brandenburgischen Historischen Kommission. Seit 2012 ist er außerdem Sprecher des Wissenschaftlichen Beirates zur Ersten Brandenburgischen Landesausstellung „Preußen und Sachsen – Szenen einer Nachbarschaft“.